ADHS oder doch Autismus? Rat auf Draht warnt vor Fake-Diagnosen auf Social Media

Videos und Beiträge mit Selbsttests zu psychischen Erkrankungen überfluten Social Media Plattformen.

Wien, am 20. April 2023. Auf TikTok und Instagram wimmelt es vor Videos und Posts, die sich mit Symptomen zu psychischen Erkrankungen, ADHS oder Autismus beschäftigen und Selbsttests für die User*innen bieten. Durch diese Flut an ungefilterter Information werden Kinder und Jugendliche nicht selten dazu verleitet, Selbstdiagnosen über diese Erkrankungen zu stellen.

Ein gefährlicher Trend, wie Birgit Satke, Leiterin der Notrufnummer 147 von Rat auf Draht weiß: „Oft werden nur kurze Videos oder Bilder gezeigt, die emotional viel stärker wirken als geschriebener Text. Solche Beiträge können bei Jugendlichen, die sich aktuell in einer Krise befinden oder sich psychisch nicht gesund fühlen, diesen Zustand noch verstärken. Zudem sind die Inhalte in diesen Beiträgen nicht immer fachlich korrekt und durch diverse Selbsttests werden Falschinformationen verbreitet und Diagnosen aufgestellt, die nicht stimmen“. Problematisch sei auch, dass sich dadurch destruktive Gruppen bilden könnten, in denen es nur darum gehe zu zeigen, wer am meisten leide oder wem es am schlechtesten gehe. „Das kann leicht in eine Abwärtsspirale führen“, warnt Satke.

Die Expertin rät Jugendlichen, die sich nicht sicher sind, ob sie eine psychische Erkrankung haben daher, sich einer erwachsenen Person (Eltern, Lehrer*innen, Schulpsycholog*innen) anzuvertrauen oder sich Hilfe bei einer Beratungseinrichtung wie Rat auf Draht zu holen. Keinesfalls sollten Selbstdiagnosen, Checklisten und Online-Fragebögen aus dem Internet sowie Ratschläge aus diversen Beiträgen oder Videos als valide Diagnose betrachtet werden. „Social Media Plattformen oder das Internet können keine professionelle Hilfe oder Psychotherapie ersetzen. Eine genaue Diagnose kann nur mit entsprechenden Untersuchungen von Fachleuten gestellt werden. Therapeutische und medizinische Maßnahmen können erst dann in die Wege geleitet werden, wenn die richtige Diagnose gestellt wurde“, so Satke.

Positiv für Enttabuisierung

Dennoch hat die Thematik keineswegs nur negative Aspekte: „Social Media Plattformen können für die Informationsbeschaffung zum Thema psychische Erkrankungen, ADHS oder Autismus eine nützliche Ressource sein. Sie tragen zur Enttabuisierung und Entstigmatisierung solcher Erkrankungen bei und schaffen ein breiteres öffentliches Bewusstsein dafür. Außerdem können sie Betroffenen Mut machen, nicht aufzugeben“, sagt Satke. Wenn User*innen merken würden, dass eine Person, deren Inhalte sie mögen, die gleichen Probleme hat, könne auch die eigene Selbstreflexion angeregt werden. Scham und Schuldgefühle, über psychische Erkrankungen zu sprechen, könnten zurückgehen. „Das kann ein wichtiger Impuls sein, um sich ein Beratungsangebot zu suchen oder gar eine Therapie zu beginnen“, sagt Satke.

Kritisch sein, auf seriöse Quellen achten

Meist seien die Inhalte auf Social Media auch leicht verständlich und niederschwellig erklärt. Satke: „Wichtig dabei ist allerdings, sich richtig zu informieren und nur seriösen Quellen zu vertrauen, die auch wissenschaftliche Evidenzen liefern. In vielen Beiträgen oder Videos wird mit dem Thema nicht achtsam umgegangen, es fehlen wichtige Fakten und oft werden Alltagsbeobachtungen und tatsächliche Diagnosekriterien vermischt.“

Will man allerdings dauerhaft verhindern, dass Jugendliche Hilfe bei Selbsttests im Internet und nicht fundierten Inhalten aus Social Media Beiträgen suchen, bedarf es weiterer Maßnahmen: „Es gibt noch immer zu wenig Therapieplätze für Kinder und Jugendliche und zu lange Wartezeiten. Wenn man Kindern und Jugendlichen empfiehlt, sich nicht auf Selbstdiagnosen aus dem Internet zu verlassen, sondern stattdessen eine möglich psychische Erkrankung professionell abklären zu lassen, sollten auch ausreichend Möglichkeiten dafür zur Verfügung stehen“, so Satke abschließend.

 

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