Zwangsheirat
Hier könnt ihr erfahren, was man unter einer Zwangsheirat versteht und wie die rechtliche Situation in Österreich ist. Weiters findet ihr Infos, wie man sich selbst oder Betroffenen helfen kann.
Von einer Zwangsheirat spricht man, wenn junge Frauen (in seltenen Fällen auch junge Männer) gegen ihren Willen zu einer Ehe gezwungen werden. Im Unterschied dazu gibt es auch die "arrangierte Ehe", die von Verwandten veranlasst wird, aber mit Einverständnis der Ehepartner stattfindet.
Sommer ist Hochsaison für Zwangsehe
Manche der jungen Frauen ahnen nichts davon, dass sie gegen ihren Willen verheiratet werden sollen. Sie fliegen mit ihrer Familie im Sommer auf "Urlaub bei Verwandten" und werden erst in dem anderen Land damit konfrontiert. Da ihnen meist der Reisepass und das Handy abgenommen und sie rund um die Uhr kontrolliert werden, ist es für sie dort auch schwieriger, sich Hilfe zu organisieren.
Manche der jungen Frauen werden auch schon in Österreich massiv unter Druck gesetzt. Wenn sie sich dagegen wehren, wird ihnen gesagt, dass sie die Ehre der Familie in den Schmutz ziehen. Sie werden nicht selten beschimpft, mit Gewalt bedroht und geschlagen. Sie sehen sich vor die Wahl gestellt: Entweder die Forderung der Familie zu erfüllen oder von der Familie ausgestoßen zu werden.
Es gibt verschiedene Formen, wie Eltern Druck und Zwang in Bezug auf eine Heirat ausüben. Eine Form ist, wenn sie schon eine bestimmte Person ausgesucht haben, die ihr*e Sohn*Tochter heiraten soll. Eine andere Form ist, wenn sie zwar keine bestimmte Person, aber die Nationalität vorschreiben. Auch hier kann die*der Tochter*Sohn von Gewalt oder Ausstoßung aus der Familie betroffen sein, wenn sie*er jemand aus einem anderen Land oder einer anderen Kultur heiraten will.
Ehefreiheit ist ein grundlegendes Menschenrecht
In der Erklärung der allgemeinen Menschenrechte der UNO ist die Ehefreiheit als ein Grundrecht jedes Menschen definiert:
"Eine Ehe darf nur im freien und vollen Einverständnis der künftigen Ehegatten geschlossen werden." (Artikel 16 Abs. 2)
Vorkommen von Zwangsheirat
Zwangsverheiratungen sind kein Phänomen einzelner Länder oder Kulturen. Sie treten auf der ganzen Welt auf. Allerdings kommen sie häufiger in Kulturen vor, wo Frauen weniger Rechte als Männer haben. Zwangsverheiratungen sind auch nicht in den großen Religionen der Welt vorgesehen - selbst wenn manche Familienväter das gerne als Druckmittel einsetzen - es ist falsch. In Österreich sind laut Schätzungen jährlich ca. 200 junge Frauen von Zwangsheirat betroffen.
Gründe für Zwangsverheiratung
- Einige Familien versuchen durch eine Zwangsehe, die Bindung zu ihrer Herkunftsregion zu stärken. Manchmal erfolgt dazu die Zwangsverheiratung mit einem entfernten Verwandten, wie dem*der Cousin*e.
- Oft spielen wirtschaftliche Gründe eine Rolle für die Zwangsverheiratung. Durch die Heirat ist es eventuell möglich, dass jemand ein Aufenthaltsrecht oder eine Staatsbürgerschaft für ein Land mit höherem Lebensstandard bekommt, das er*sie sonst nicht bekommen würde.
- Erhalt der kulturellen Identität: Es gibt Migrationsfamilien, denen es schwer fällt, mit dem Anpassungsdruck im Immigrationsland umzugehen. Dies kann dazu führen, dass noch strengere Vorstellungen von Tradition gelebt werden, als das im Herkunftsland der Fall ist.
- Väter können durch eine Zwangsheirat versuchen sicherzustellen, dass sie in ihrer Familie oder Kultur bestimmen können was passiert ("Patriarchat"). Männer festigen dadurch ihre Macht, indem sie die Freiheit einer jungen Frau einschränken.
Gesetzliche Regelungen
In Österreich und vielen anderen Ländern ist Zwangsheirat verboten und strafbar.
In Österreich gilt Zwangsverheiratung als schwere Nötigung (§ 106/1/3 StGB) und kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren bestraft werden.
Nicht nur die Betroffenen, sondern jeder kann eine geplante oder vollzogene Zwangsheirat bei der Polizei anzeigen. Das ist insofern wichtig, weil die betroffenen jungen Frauen oft sehr von ihrer Familie kontrolliert werden und sich schwer selbst an die Polizei wenden können. Sie sind dann auf die Hilfe von anderen Personen angewiesen, die die Polizei einschalten.
Wird eine junge Frau im Rahmen einer Zwangsheirat durch Drohung oder Gewalt zum Geschlechtsverkehr mit dem Ehemann gezwungen, machen sich die drohende*n oder gewaltausübende*n Person*en noch zusätzlich wegen Vergewaltigung oder geschlechtlicher Nötigung strafbar.
Hilfe für Betroffene
Tipp
Bleib nicht allein mit deiner Befürchtung
Auch wenn du dir nicht ganz sicher bist, ob du gegen deinen Willen verheiratet werden sollst, ist es wichtig, dass du deine Sorgen anderen Personen anvertraust. Dadurch kannst du sicherstellen, dass eine andere Person dir Hilfe organisiert, falls du selbst nicht mehr in der Lage dazu bist. Du könntest eine Person deines Vertrauens ersuchen, dich regelmäßig zu kontaktieren und sie bitten, die Polizei einzuschalten, falls sie dich nicht mehr erreicht.
Oft gibt es mehr als nur zwei Möglichkeiten
Sehr viele der betroffenen jungen Frauen sehen sich vor die Wahl gestellt: Entweder heirate ich jemanden, den ich nicht heiraten will oder ich muss den Kontakt zu meiner Familie abbrechen und mich eventuell vor ihr verstecken. Betroffene können sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ihre Familie irgendwann ihre Meinung über die Heirat ändert. Und dennoch: Es gibt Fälle, in denen eine Familie ihre Meinung ändert, auch wenn das sicher nicht in jedem Fall möglich ist. Manchmal braucht es dafür Zeit, Ausdauer und die Hilfe von anderen Personen oder Beratungsstellen. Z.B. gibt es Beratungsstellen, die auf Wunsch der Betroffenen die Familie kontaktieren und versuchen mit ihr an einer Änderung ihrer Heiratsvorstellungen zu arbeiten.
Schutz suchen
Vor allem, wenn man Freiheitseinschränkungen, massiven Drohungen, psychischer und körperlicher Gewalt ausgesetzt ist, bleibt oft keine andere Wahl als sich erst einmal Schutz zu suchen. Dafür ist es manchmal auch notwendig die Familie für eine Zeit lang zu verlassen. Jugendliche bis 18 Jahre können sich hierzu an die Kinder- und Jugendhilfe (Jugendamt) wenden, erwachsene Frauen können z. B. in Frauenhäusern Schutz vor Übergriffen finden. Wenn du Hilfe bei der Kontaktaufnahme zu diesen Einrichtungen brauchst, kannst du dich gerne an uns wenden.
Beratungsstelle Orient Express
Bei dieser Beratungsstelle arbeiten Expertinnen zum Thema Zwangsheirat, die sehr viel Erfahrung auf diesem Gebiet haben und verschiedene Formen von Hilfe anbieten u. a.: telefonische-, persönliche- oder Online-Beratung in verschiedenen Sprachen, längerfristige Begleitung und Arbeit mit Familien. Hier gibt es auch eine betreute Notwohnung für Mädchen und Frauen die von Zwangsheirat bedroht oder betroffen sind. Die Beratungsstelle hat Kontakte zu sehr vielen Ländern auf der ganzen Welt, um junge Mädchen wieder zurück holen zu können.