Tochter und Mutter drücken Stirn gegeneinander

Eltern machen Druck

"Was, nur ein "Gut"?" "Du musst jeden Tag trainieren, nicht nur drei Mal die Woche ..." Kommt dir das bekannt vor? Lies nach, wie du dir helfen kannst, wenn deine Eltern "überehrgeizig" sind.

Wenn Eltern immer mehr und noch mehr fordern, dann kann sich das einfach furchtbar anfühlen. Vielleicht hast du sogar das Gefühl, sie sehen nur deine Leistung und sonst gar nichts mehr. Prinzipiell ist es ja gut und wichtig, wenn Eltern Interesse zeigen und man von ihnen unterstützt wird. Es kann aber sein, dass sich das Verhalten der Eltern nicht als Unterstützung sondern nach Druck anfühlt. Oft kommt es auf das Ausmaß an, was noch als Unterstützung erlebt wird und wo Druck anfängt. Manche Eltern erwarten z. B. deutlich mehr als andere und sind damit einfach schon "überehrgeizig". Klar können solche super hohen Anforderungen der Eltern Druck und Stress auslösen. Wem würde es da nicht so gehen? Vielleicht bekommt man auch das Gefühl, es den Eltern nicht recht machen zu können bzw. nie gut genug zu sein.


Warum Eltern besonders ehrgeizig sind, kann viele verschiedene Gründe haben. Wie soll dir das helfen? Kennst du die Gründe, dann kannst du im Gespräch mit ihnen besser argumentieren und vielleicht macht es auch einen Unterschied, wie du dich damit fühlst.

Ursachen für "Elternehrgeiz"

Oft wollen Eltern einfach nur das Beste für dich. Sie möchten dir all das bieten, was sie in ihrer Kindheit nicht gehabt haben. Dabei schießen sie aber durchaus auch mal über das Ziel hinaus und bemerken gar nicht mehr, wie es dir dabei geht.

Eltern übersehen manchmal auch, was für DICH wichtig ist. Sie gehen davon aus, dass ihre Wünsche sich mit deinen decken, dabei muss "ihr Bestes" nicht zwingend auch "dein Bestes" bedeuten.

Eine weitere Erklärung für besonderen Ehrgeiz bei Eltern ist, dass deine Eltern natürlich auch selbst Träume und Wünsche haben. Manchmal haben Eltern sich ihre Träume nicht erfüllen können und versuchen diese eigenen Wünsche, dann über ihre Kinder zu verwirklichen. Z. B., wenn deine Eltern immer schon Tennis spielen lernen wollten und bei dir besonders Druck machen, dass du Tennisspielen lernst bzw. beim Tennisspielen bleibst. Oder gerade auch bezüglich der Schule: oft hatten eure Eltern nicht die Möglichkeit, die Matura zu machen oder zu studieren, weil ihnen das Geld gefehlt hat. Sie möchten es dir aber ermöglichen...
Prinzipiell spricht es ja für deine Eltern, dass sie dir mehr ermöglichen wollen, als ihnen selbst möglich war, jedoch ist es wichtig, dass du nicht ihr/e stellvertrendende/r WunscherfüllerIn bist, sondern auch die Freiheit hast, das zu tun und zu werden, was DU magst.

Es kommt auch vor, dass Eltern verlangen, dass man beruflich in ihre Fußstapfen treten soll. Gerade wenn Eltern sich einen eigenen Betrieb aufgebaut haben, wollen sie manchmal, dass dieser weitergeführt wird. Damit das, was sie erschaffen haben, weiterexistiert und am besten in der Familie bleibt. Willst du den Betrieb auch übernehmen, trifft es sich ja gut; möchtest du lieber etwas anderes machen, ist auch das normal und ok und sollte im besten Fall auch für deine Eltern verständlich sein. Den Eltern zu sagen, dass man etwas anderes möchte, kann aber echt großen Druck und Ängste in einem selbst auslösen.
 

Verständnis bedeutet nicht Rechtfertigung

Auch wenn du jetzt vielleicht ein Stück weit verstehst, warum deine Eltern sich so verhalten, bedeutet es nicht, dass sich deine Eltern weiterhin so verhalten sollen oder dass die Gefühle, die in dir aufkommen keine Berechtigung haben. Das Verständnis für deine Eltern kann dir aber in einem Gespräch mit ihnen weiterhelfen. Eine Formulierung könnte sein: "Mama, ich weiß echt zu schätzen, dass du die besten Chancen für mich willst, bzw. dass ihr wollt, dass ich durch die Matura bessere Chancen habe als ihr es hattet und die Matura machen kann. Und dennoch wäre es mein Wunsch ... zu lernen und nicht die Matura zu machen".

Oder zum Thema Betrieb übernehmen: "Ich weiß, dass ihr euch wünscht, dass der Betrieb weiter bestehen bleibt. Leider ist die z. B. Landwirtschaft aber überhaupt nicht das, was ich machen möchte und womit ich glücklich werden will. Ich würde viel lieber .... werden. (Manchmal hilft an dieser Stelle dann noch eine Beschreibung, warum genau dieser Beruf begeistert und was dir Freude daran machen würde.) Ich könnte mir aber beispielsweise vorstellen, euch ein paar Stunden zu unterstützen, damit ihr euch nach jemandem umschauen könnt, der später mal den Betrieb übernehmen wird."
 
Tipps bei "überehrgeizigen" Eltern


Wenn du unter "überehrgeizigen" Eltern leidest, kann es helfen, das Gespräch zu suchen. Vielleicht bekommen deine Eltern gar nicht mit, wie ihre Aussagen bei dir ankommen. Manchmal sind auch mehrere Gespräche notwendig, weil man oft in gewohnte Muster hineinfällt und so auch deine Eltern, trotz Bemühungen, vielleicht wieder in den "Überehrgeiz" hineinkommen.
 

  • Sag deinen Eltern, wie du dich fühlst, wenn sie dich ständig zu etwas drängen und Druck ausüben. Deinen Eltern ist vielleicht gar nicht bewusst, welche Gefühle durch ihr Verhalten bei dir ausgelöst werden.
  • Wird dir der Druck deiner Eltern zu viel, dann sprich das auch direkt aus. Sage ihnen, dass dir alles zu viel wird und es so nicht weitergehen kann. Du kannst auch vorschlagen, dass ihr euch einmal zusammensetzt, um gemeinsam zu überlegen, welche Ziele dir wichtig sind und vor allem auch welche Ziele du realistisch erreichen kannst.
  • Hast du einen Erwachsenen mit dem du dich gut verstehst - vielleicht eine Tante, einen Onkel, die Großeltern oder eine/n VertrauenslehrerIn - dann könntest du diese Person bitten, einmal mit deinen Eltern zu sprechen oder diese Person auch als Unterstützung zu einem Gespräch zwischen dir und deinen Eltern holen.
  • Wenn es notwendig ist, kann diese Vertrauensperson auch mit deinen Eltern darüber reden, dass deine Eltern ihre Träume selbst verwirklichen, weil du deine eigenen Träume hast. Dies ist für Außenstehende meist einfacher, als für die eigene Tochter/den eigenen Sohn.
  • Am besten ist ein ruhiger Moment für so ein Gespräch, z. B. kannst du deine Eltern fragen, wann sie Zeit hätten, weil du etwas mit ihnen besprechen magst. Oder ihr geht gemeinsam eine Runde spazieren und redet währenddessen.
  • Fällt es dir leichter aufzuschreiben, was dich beschäftigt, kannst du deinen Eltern auch einen Brief oder eine E-Mail schreiben.
  • Wenn du lieber zuerst mit einem Elternteil alleine reden magst, ist das auch ok.
  • Eine gute Möglichkeit ist auch, deinen Eltern einmal aufzuzeigen, wie viel du eigentlich tust. Schreib z. B. einmal eine Woche lang mit, was du Tag für Tag alles leistest.
  • Und vor allem, geht es ja nicht nur darum, was du leistest, sondern wie du als Person bist. Wenn du dich von ihnen gar nicht gesehen fühlst, sag ihnen, was du gerne hättest, dass sie sehen. Z. B. dass du für andere da bist, wenn es ihnen schlecht geht, du im Sport gut bist, hilfsbereit oder besonders kreativ bist.
 

Ehrgeiz als Motivation?

Ein gewisses Maß an Ehrgeiz kann durchaus motivierend sein. Manchmal ist Motivation von Außen dann hilfreich, wenn die eigene Motivation gerade nicht so sehr vorhanden ist. Man kann sich dann quasi von dieser Motivation anstecken lassen, und sie dazu nutzen, sich zu aktivieren.
Es kommt aber wirklich ganz stark auf das Ausmaß an - zu viele Forderungen und zu hohe Ansprüche erzeugen ein ungutes Gefühl. Möglicherweise fühlt man sich unter Druck gesetzt oder so, als ob man diese Ansprüche eh nie erfüllen können wird, egal wie sehr man es versucht. Das wiederum aktiviert ganz und gar nicht, sondern blockiert.

 

Gefühlschaos

In so einer Situation werden ganz unterschiedliche Gefühle wach. Vielleicht entsteht Wut oder es entwickeln sich Selbstzweifel. Oder das Gefühl wird laut, es den Eltern nicht recht machen zu können. Dies kann durchaus auch mal Angst auslösen. Diese Gefühle zu verarbeiten, braucht Kraft. Manchmal merkt man das daran, dass man sich eine Zeit lang erschöpft und ausgelaugt fühlt, oder man ist leicht reizbar, kann nicht so gut und erholsam schlafen, zieht sich mehr zurück etc. Es kann auch geschehen, dass man sich als Reaktion plötzlich in einem Fach verschlechtert, in dem man eigentlich echt gut ist.

Wichtig zu wissen ist, all diese Gefühle dürfen entstehen und sind "normal". Als hilfreich beim Umgang mit diesen Gefühlen wird von vielen erlebt, nicht damit allein zu bleiben und sich jemandem anzuvertrauen. Eine weitere Möglichkeit ist auch, sich die Ursachen anzusehen und zu differenzieren: Wenn z. B. Eltern dir ihre Träume überstülpen wollen, dann ist das eigentliche Problem (die unerfüllten Träume) ein Problem deiner Eltern und kann auch nur von ihnen gelöst werden. Dies ist und kann nicht deine Aufgabe sein! Und das darfst du klarstellen und dich davor schützen, etwas zu übernehmen.

Spür in dich hinein, was hilfreich für dich in der Belastung und im Umgang mit den aufkommenden Gefühlen ist. Manchem hilft darüber reden, aufschreiben, malen, texten, Zeit mit FreundInnen, Haustiere kuscheln, sich Zeit für sich nehmen, spazierengehen, Sport etc.

 

Ansprüche von anderen

Im Laufe des Erwachsenwerdens werden alle von uns mit verschiedenen Ansprüchen oder Wünschen von anderen Leuten konfrontiert. Es geht oft darum, für sich zu überprüfen, welche Ansprüche man selbst auch gut findet und von welchen man sich lieber verabschieden will. Es ist ganz normal, dass man auch mal ein anderes Ziel verfolgt und für einen selbst etwas anderes passend ist, als es andere Leute meinen. Es immer allen recht zu machen, würde bedeuten, dass man es sich selbst nicht rechtmachen würde. Dabei spürt man selbst am allerbesten, was für einen passt und was nicht. Es ist daher ok und wichtig, seine eigenen Wünsche wahr- und ernstzunehmen und es auch mal den Eltern nicht recht zu machen, sondern seinen eigenen Weg zu verfolgen.

Wenn Eltern einen Anspruch haben, der dich nicht fördert und unterstützt, sondern dich unter Druck setzt und dich behindert, ist das eine belastende Situation. Bleib mit der Belastung nicht allein, such das Gespräch mit deinen Eltern, weihe Vertrauenspersonen zur Unterstützung ein, etc. Du kannst dich auch gern an uns wenden - zum "einfach mal alles von der Seele reden", zum Vorbereiten für ein Gespräch mit den Eltern usw.
 

Wenn sich nichts ändert

Leider kann es auch manchmal sein, dass alle Gespräch nicht helfen und du weiterhin unter Druck gesetzt wirst. Dann kann eine Unterstützung von Außen wichtig sein - z. B. über eine/n SozialarbeiterIn von der Kinder- und Jugendhilfe (früher Jugendamt). Melde dich auch in diesem Fall gern bei uns und wir überlegen mit dir gemeinsam, welche professionelle Unterstützung vor Ort für dich passend sein könnte.
 

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