Junge hält Schild hoch mit Aufschrift "Me too"

Sexuelle Belästigung online

27 % der 11-18 Jährigen wurden online bereits sexuell belästigt. Wie kann man sich gegen sexuelle Belästigung im Netz wehren? Welche Gesetze es dazu gibt, erfährst du hier.


Was online passiert, wird manchmal nicht ganz so ernst genommen und eher abgetan, oft sogar entschuldigt. Das kommt immer wieder auch bei sexueller Belästigung vor, die im Internet passiert. Einige denken sogar, sie wären selbst für eine sexuelle Belästigung verantwortlich. WTF? Ganz egal, wie du dich präsentierst, nichts rechtfertigt eine Grenzüberschreitung! Du kannst dich absolut genau SO zeigen, wie DU möchtest. Niemand darf dich sexuell belästigen!
 

Was passiert einem?

Einige von euch haben vermutlich schon mal grenzüberschreitende Reaktionen und Kommentare auf Gepostetes bekommen. Anmachen, grausige Kommentare oder das Drängen, Nacktfotos zu schicken sind nur einige Beispiele dafür. Oder es wurde aus einem anfänglichen heißen Flirt etwas, das sich unangenehm anfühlt, einem zu weit geht und was man so nicht möchte. Vielleicht wurde der*die andere drängend und wollte ein Treffen oder Nacktbild.

Wenn man öfter mit solchen Grenzüberschreitungen konfrontiert ist, kann es sein, dass man beginnt, es "normal" zu finden, dass auch solche Reaktionen auf Gepostetes kommen. Manche denken vielleicht auch, sie müssen lernen, selber damit klarzukommen und selbst was dagegen tun. Es kann auch sein, dass man sich schämt und deswegen versucht, alleine damit fertig zu werden, anstatt mit jemandem drüber zu reden.

Im Inneren ist diese neue Sichtweise oft eine Art Schutz, die Kommentare auszuhalten, denen man ausgesetzt ist. Dass man selbst etwas dagegen unternehmen möchte, bringt Handlungsspielraum und man fühlt sich, als könnte man wieder mitbestimmen. Auch wenn diese inneren Schutzmechanismen nachvollziehbar sind, ist das dennoch ja eigentlich eine verdrehte Welt: jemand anderer macht etwas, was ganz klar und sehr spürbar falsch ist und man selbst versucht die Verantwortung zu übernehmen, damit umzugehen. Dabei sollte doch eigentlich klar sein, dass sexuelle Belästigung und andere Grenzüberschreitungen offline und online keinen Platz haben und gar nicht erst passieren dürfen.
 

Wenn es sich nicht mehr gut anfühlt...

Manchmal spürt man es sofort, manchmal erst im Laufe einer Unterhaltung, dass sie in eine Richtung geht, in der man sich nicht wohl fühlt. Anfangs war der Flirt vielleicht spannend und reizvoll, man fühlt sich vielleicht auch überrumpelt und dann spürt man klar, dass es einem zu weit geht und man das so nicht mehr möchte. Dieses Gefühl ist total wichtig, ernstzunehmen! Auch wenn du dir nicht mehr sicher bist, ob du etwas möchtest oder nicht, ist das schon ein klares Zeichen. Nimm es ernst.
 

Stopp ist immer erlaubt!

Egal, was du vorher geschrieben hast, egal, ob Fotos ausgetauscht wurden, egal, was du ausgemacht hast - du darfst dich jederzeit umentscheiden; es ist ok, die andere Person zu blockieren; du darfst den Chat beenden oder schreiben, dass du das jetzt doch nicht willst; es ist auch ok, dir Zeit zum Überlegen zu nehmen, wenn du dich überrumpelt fühlst etc. Wir wissen, dass das oft auch nicht leicht ist. Das ist das womit Täter*innen auch spielen. Wenn du Unterstüztung beim Formulieren brauchst, melde dich bei uns. Es gibt auch die App ZIPIT, die Memes und GIFs bereit hat, die man an Personen schicken kann, die einem gerade blöd kommen. Vielleicht fällt es dir so leichter.

 

Tipp


Du bist NIE Schuld!

Vielleicht hast du auch schon mal gehört, dass jemand eine sexuelle Belästigung rechtfertigt, z. B. mit der Aussage, dass sie*er es ja provoziert hat (etwa durch Verhalten oder Kleidung). Doch das ist ganz klar falsch! Man ist nie "selber Schuld", dass jemand anderer eine Grenze übertritt. Egal wie man sich verhält, wie man sich kleidet, egal welches Geschlecht man hat, egal wie man sich präsentiert!


Was ist bei sexueller Belästigung im Internet strafbar?

Wenn in "echt" nix passiert ist, dann kann man sowieso nix machen. Kennst du diese Aussage? Wirklich viele glauben, dass eine Belästigung über Handy, Apps, soziale Netzwerke etc. nicht strafbar ist. Doch das ist gar nicht so. Es gibt sogar Gesetze, die sich nur auf Handlungen beziehen, die über digitale Geräte passieren. Es ist auch egal, ob eine Person in einem gemeinsamen Raum oder über z. B. eine Webcam jemanden dazu drängt, sich z. B. selbst zu befriedigen. In beiden Fällen ist dies klar verboten und strafbar! Wie bekommt man ein Gefühl dafür, was eigentlich schon klar strafbar ist?

Ein wichtiger Aspekt ist die Freiwilligkeit. Zum Beispiel kommt es immer mal wieder vor, dass man sich dafür entscheidet, in einem Flirt auch erotische Bilder mit einer Person aus dem Internet auszutauschen. Wenn beide über 14 Jahre alt sind und diese Fotos wollten, ist das im Sinne einer selbstbestimmten Sexualität auch erlaubt. Du kannst ab 14 bestimmen, mit wem und in welcher Art du deine Sexualität leben möchtest. Und wenn du dich jemanden über die Webcam sexy zeigen möchtest, dann darfst du das. Klar ist aber, dass dich niemand dazu drängen darf!

Denn, sobald du Druck oder Angst verspürst, ist das ein wichtiger Hinweis darauf, dass diese Gefühle möglicherweise durch eine strafbare Handlung ausgelöst wurden. Beispielsweise, wenn man selbst keine (weiteren) Fotos versenden möchte, das Gegenüber das aber nicht respektiert und z. B. weitere Bilder oder ein Treffen verlangt; womöglich mit der Drohung, sonst die bereits gesendeten Bilder von dir weiterzuverbreiten. Das ist klar verboten und es kommen mehrere Aspekte zusammen:

  • Die Drohung, die bereits gesendeten Bilder zu verbreiten, ist strafbar. Sie ist eine Gefährliche Drohung.
     
  • Werden durch so eine Gefährliche Drohung z. B. weitere Fotos oder ein Treffen gefordert, nennt man das Nötigung.
     
  • Würden die Nacktbilder von dir tatsächlich weiterverbreitet werden, wäre auch das verboten. Entweder würde das (bis du 18 Jahre alt bist) unter die Verbreitung von kinderpornographischem Material fallen; bist du über 18, ist mit dem Recht am eigenen Bild geregelt, dass Aufnahmen nicht veröffentlicht werden dürfen, die jemanden bloßstellen oder nachteilig für die Person auf der Aufnahme sind.

Wenn man unter 14 Jahre alt ist und von jemandem überredet wird, pornographische Aufnahmen von sich zu schicken, ist schon das alleinge Fordern dieses Fotos strafbar! Das nennt man Anbahnung und wäre als Cyber-Grooming strafbar, auch der Besitz dieser dann kinderpornografischen Aufnahmen, ist für die Person klar strafbar. Wenn man unter 14 Jahre alt ist und zu Selbstbefriedigung vor der Webcam gedrängt wird, ist das strafbar. Würde ein Bursch oder ein Mädchen dieser Aufforderung - egal ob unter Druck oder auch ohne Gedrängt-Werden - nachkommen, würde sich die Person, die aufgefordert hat, klar aufgrund von sexuellem Missbrauch strafbar machen. Es ist auch strafbar, wenn man bereits über 14 Jahre alt ist und eingeschüchtert oder dazu gedrängt wird, sich vor der Webcam zu befriedigen.

  • Cyber-Grooming
    Hier kannst du nachlesen, wie du dich vor Cyber-Grooming schützen kannst
     

Immer öfter erzählen uns Jugendliche, dass sie - ohne es zu wollen - ein pornographisches Bild z. B. von einem steifen Penis geschickt bekommen haben. Das ist grenzüberschreitend und absolut nicht ok. Total verständlich, dass man das unangenehm und vielleicht auch grausig findet! Denn so ein Bild von jemandem, den man mag, kann ja ganz nett sein. Aber ungefragt, ist das klar nicht ok.
 

Klar verboten sind auch "upskirting" Aufnahmen. Es darf dir also niemand ohne deine Zustimmung z. B. "unter den Rock" oder ins Dekollete fotografieren. Solche unbefugten Bildaufnahmen umfassen Aufnahmen von Intimbereich, Genitalien, Gesäß oder der weiblichen Brust. Bereits das Anfertigen solcher Aufnahmen ist strafbar, selbst wenn intime Stellen noch durch eine Unterhose bedeckt sind.  Auch Aufnahmen aus Räumen, in denen man sonst vor fremden Einblicken geschützt ist, wie etwa dem Klo oder Umkleidekabinen sind verboten. Auch wenn solch eine Aufnahme veröffentlicht wird, ist das klar strafbar.

 

Tipp


Anvertrauen hilft

Wenn du bemerkst, dass ein Kontakt in eine ungute Richtung läuft, hol dir Unterstützung. Vertraue dich jemandem an, es fühlt sich einfach besser an, etwas Unangenehmes mit jemandem zu teilen, als es allein mit sich herum zu tragen. Melde dich auch gern bei uns - gemeinsam können wir überlegen, was du weiter tun kannst.


Was tun, wenn dich jemand unangenehm anschreibt

Sobald dir etwas unangenehm ist, trau dich und brich den Kontakt ab. Blockiere die Person, damit sie dich nicht mehr kontaktieren kann. Du kannst die Person natürlich auch bei der jeweiligen Plattform melden. Dies ist aber meist nur möglich, bevor du sie blockierst - also zuerst melden, dann blockieren. Die Person erfährt auch nicht, wer sie gemeldet hat!! Keine Sorge!

Du brauchst dieser Person auch gar nichts erklären, sondern darfst dich distanzieren und kannst einfach "weg" sein. Manchmal traut man sich das vielleicht nicht, dann könnte dir folgender Tipp helfen:
 

Tipp


"Nein" sagen

Bilder sagen manchmal mehr als 1000 Worte. Vielleicht kennst du die App ZIPIT. In dieser App findest du GIFs und Memes, die du verwenden kannst, um auf unangenehme Anfragen zu reagieren. Du kannst sowas aber natürlich auch selbst gestalten. Ein Beispiel wie man antworten könnte, wenn ein möglichst dirty Nacktbild gefordert wird, ist etwa das Bild eines schmutzigen Klos, mit dem Text "Ist dir das nun dirty genug?" Du kannst gerne auch unser Foto verwenden :)
Im Hintergrund Klo, im Vordergrund Schriftzug "Dirty genug, Alter?"
Anzeige erstatten

Macht jemand etwas, was strafbar ist, kann man eine Anzeige bei der Polizei machen. Hilfreich ist es, die Screenshots der Chats und andere Beweise zu sichern und auch mitzunehmen. Einfacher ist es meist auch, eine erwachsene Vertrauensperson mitzunehmen. Melde dich gerne bei uns. Gemeinsam können wir besprechen, welche Handlungen strafbar sind und welche Infos du für eine Anzeige brauchst. Eine Anzeige kannst du übrigens bei jeder Polizeiinspektion erstatten.

Tipp

Achte auf dich. Wenn etwas Druck oder Angst in dir erzeugt, ist es möglicherweise auch strafbar. Und auch wenn sich der*die andere User*in durch sein*ihr Verhalten (noch) nicht strafbar macht, kann sein*ihr Verhalten grenzüberschreitend und dir unangenehm sein. Hör auf dein Gefühl, wenn sich etwas unpassend oder einfach auch nicht mehr so richtig gut anfühlt.

Anmachen, ja klar. Belästigen, klar nein!

Wir waren wirklich betroffen, da in unserer Studie einige angegeben haben, dass man sexuelle Belästigung eben aushalten müsse, da Burschen einfach nicht anders könnten. Doch, natürlich können Burschen anders. Und sie können nicht nur anders, die meisten wollen und machen auch anders. Viele Burschen melden sich bei uns, die merken, dass ihrem*ihrer Freund*in etwas unangenehm ist. Sie sind oft verunsichert und fragen sich, was sie tun sollen. Denn ihnen ist wichtig, nichts zu tun, was der*die andere nicht möchte.

Belästigung passiert Burschen und Mädchen und auch unter den Täter*innen gibt es Männer und Frauen. Wenn jemand belästigt, überschreitet er*sie klar eine Grenze und macht sich in vielen Fällen auch strafbar. Und nein, das ist nicht normal und definitv ja, Burschen können, wollen und machen auch anders!

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