Es gibt kaum jemanden, der ganz locker und gelassen an Prüfungssituationen herangehen kann. Ein bisschen Aufregung und Nervosität gehören dazu und wirken aktivierend. Wird die Aufregung jedoch zu groß, ist dies belastend und blockiert. Mit dieser Angst dann auch noch konzentriert zu lernen ist nur mehr echt schwer oder kaum möglich, und auch in der Prüfungssituation ist die Angst kein förderlicher Begleiter.
Was genau ist eigentlich Prüfungsangst?
Bei Prüfungsangst drehen sich die Gedanken um das Szenario der Prüfung, das einem Angst macht. Prüfungsangst entsteht im Kopf und kann verschiedene Ängste umfassen - z. B. die Angst, eine Prüfung nicht zu schaffen, oder die Angst, sich zu präsentieren. Meist wird sie durch ängstliche Gedanken und Vorstellungen ausgelöst oder durch unangenehme Vorerfahrungen in Prüfungssituationen weiter "gefüttert". Prüfungsangst kann jede/n treffen, ganz unabhängig davon, wie "gut" oder "schlecht" man lernt.
Um die Prüfungsangst zu bewältigen, ist es hilfreich zu überlegen, welche Befürchtungen oder Gedanken im Detail dahinter stecken. Dann ist es gezielt möglich zu schauen, was es braucht, um entspannter in die Situation gehen zu können.
Gedanken genauer unter die Lupe nehmen
Oft ist es so, dass bestimmte "Glaubenssätze" immer wieder in unsere Gedanken kommen. Dies passiert nahezu automatisch und beeinflusst auch unsere Ängste. Oft hilft es, die eigenen Gedanken genauer zu betrachten, die kurz vor deiner Angst auftauchen. So kannst du störende, angstmachende Glaubenssätze entlarven und auch Schritt für Schritt ablegen.
Wir haben ein paar Beispiele solcher angsterzeugenden Glaubenssätze zusammengesucht und aufgeschrieben, mit welchen Sätzen man diese ersetzen könnte.
"Ich muss diese Prüfung unbedingt bestehen, sonst ..." Allein das Wort "muss" erzeugt schon Stress und vermittelt das Gefühl, dass die Welt unterginge, würde man die Prüfung nicht bestehen. Ein Gedanke, der weniger Druck erzeugt wäre: "Ich habe mich gut vorbreitet und gebe mein Bestes. Falls ich die Prüfung nicht schaffen sollte, wäre das zwar frustrierend, doch dann wiederhole ich sie eben."
"Ich werde es eh wieder nicht schaffen." Durch diesen Satz bringt man sich schon vorher in eine Erwartungshaltung, die Prüfung nicht zu bestehen - wir frustrieren uns quasi schon im Vorhinein und nehmen uns Zuversicht und Energie. Gedankenideen stattdessen: "Ich habe schon so vieles geschafft, z. B. damals ... [konkret an eine Situation denken, die man gemeistert hat]. Auch bei dieser Prüfung werde ich mich bemühen, sie zu schaffen."
"Verdammt, ich werde sicher wieder rot und muss mich räuspern. Dann sieht wieder jeder, wie nervös ich bin." Vermutlich erzeugt allein dieser Gedanke rote Flecken und ein Räuspern im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Einem selbst fällt die körperliche Reaktion meist auch viel mehr auf als den anderen. Gedankenalternative: "Es ist verständlich, dass man bei Prüfungen nervös ist. Auch LehrerInnen wissen das. Nervosität ist menschlich und darf auch sein. Dann sieht man eben, dass ich nervös bin."
"Ich darf keinen Fehler machen." Puh, sogar beim Aufschreiben in diesen Artikel erzeugt dieser Satz schon sehr viel Druck. Hilfreicher wäre ein Gedanke in Richtung: "Ich bemühe mich, mein Bestes zu geben, muss aber nicht perfekt sein." Gerade Fehler bieten übrigens die Chance, zu lernen und sich weiterzuentwickeln.
Tipp
Versuche drauf zu achten, wie du etwas für dich formulierst oder denkst: Formulierungen mit Zwang erzeugen Druck, z. B.: "Ich muss das bestehen." Hilfreicher ist es, das Ganze als Wunsch zu formulieren: "Ich möchte die Prüfung bestehen und gebe mein Bestes."
Achte mal auf die Auswirkung von Verneinungen - Beispiel: "Ich denke jetzt NICHT an einen rosa Elefanten mit blauen Punkten." Obwohl das Wort "nicht" in dem Satz steckt, kommt bei den meisten trotzdem der Gedanke an den Elefanten. Hilfreicher ist es, zu formulieren, was man erreichen möchte, als zu formulieren, was man vermeiden mag.
Ursachensuche
Je nach Ursache der Angst, kann Unterschiedliches hilfreich sein. Hier findest du ein paar Beispiele und Ideen, wie du damit umgehen kannst, wenn du dich in einer Situation wiedererkennst.
Vielleicht denkst du, dass deine Eltern enttäuscht sind, wenn du nicht nur gute Noten nach Hause bringst? Oder reagieren deine Eltern streng, wenn du eine schlechte Note hast?
In diesem Fall könntest du ein offenes Gespräch mit ihnen suchen, um ihnen zu beschreiben, welchen Druck du bezüglich der Noten fühlst und wie sehr dich das belastet. Sprich offen aus, dass du denkst, eine schlechte Note könne sie enttäuschen. Oft sind Eltern von einem solchen Gespräch sehr überrascht und sagen dir, dass wegen einer schlechten Note nicht gleich die Welt untergeht. Hast du das Gefühl, dass deine Eltern dich nicht verstehen, kannst du auch eine Person deines Vertrauens, wie eine Tante, einen Opa oder eine/n LehrerIn bitten, bei dem Gespräch mit den Eltern dabeizusein.
Vergleichst du dich mit einer/m guten SchülerIn und bist enttäuscht, wenn du eine schlechtere Note als diese/r hast?
Jeder Mensch hat seine Stärken und Schwächen. Die eine Person kennt sich total gut mit Computern aus, die andere ist unschlagbar im Fußball, die eine ist Primaballerina, die andere kann malen wie eine Künstlerin etc. Versuche, dich "realistisch zu sehen bzw. zu vergleichen" und nicht nur so, dass du dann ein schlechtes Bild von dir hast. Hilfreich kann auch sein, zu bedenken, was alles noch zu diesem Notenunterschied beigetragen haben könnte: Vielleicht hatte dein/e KollegIn einfach einen guten Tag. Man kann nicht jeden Tag gleich gut drauf sein. Mal ist man unausgeschlafen, hat den Kopf voll mit Problemen oder Kopfweh.
Ist die bevorstehende Prüfung eine besonders wichtige für dich, da sie über deine Ausbildung entscheidet?
Klar macht das Druck, wenn etwas direkt von der Prüfung abhängt. Versuche daran zu denken, dass man selbst eine wichtige Prüfung meist wiederholen kann.
Bist du ein/e gute/r SchülerIn und hast Angst die LehrerInnen zu enttäuschen, wenn du einmal keinen Einser oder Zweier schreibst?
Auch LehrerInnen wissen, dass man nicht immer gleich gut drauf sein kann und einem unterschiedliche Schularbeitsthemen verschieden gut liegen. Außerdem ist ein riesiger Unterschied zwischen gar nichts gelernt zu haben, oder mal schlechter abzuschneiden.
Hast du in dem Fach zuvor eine schlechte Note geschrieben und möchtest diese nun ausbessern?
Wenn du dir immer wieder vor Augen hältst, dass du dir mit diesem Test die schlechte Note von vorhin ausbessern "musst", löst das Druck aus. Versuche die Verknüpfung zu lösen und bereite dich auf diesen Test vor, als wäre er nur für sich stehend und hätte nichts mit anderen Tests zu tun. Vielleicht möchtest du auch mit deiner Lehrkraft darüber sprechen, wie aufgeregt du bist. Oft tun die beruhigenden Worte der Lehrkraft gut.
Tipp
Tipps für die Vorbereitung
- Nimm dir vor, beim Lernen nicht an die Prüfung zu denken, sondern an den Stoff. Dadurch schaffst du es, beim Stoff zu bleiben (der meistens keine Angst auslöst) und dich nicht auf die Prüfungssituation zu fokussieren (diese Gedanken lösen meist den Stress aus). Das benötigt echt ein wenig Übung, je öfter es dir gelingt, desto leichter wird es aber auch.
- Plane genug Zeit zum Lernen ein, um dir keinen zusätzlichen (Zeit-)Druck zu schaffen.
- Plane auch Pausen zur Entspannung und zum Krafttanken ein. Vielleicht gehst du sogar spazieren, oder machst Sport um Stress abzubauen.
- Vergiss nicht, dich zwischendurch auch zu belohnen :-).
- Hast du gelernt, versuche das Gelernte in einer nachgestellten Prüfungssituation wiederzugeben. Z. B. könnten dich deine Eltern abprüfen, oder eine Schularbeit für dich entwerfen. Gibt es bei der Prüfung ein Zeitlimit, übe daheim auch mit Zeitlimit. So kennst du die Situation schon gut und bist dann nicht mehr so aufgeregt.
- Vielleicht hilft dir auch ein Ritual, das du einführst um dich vor Prüfungen zu beruhigen. Binde dieses aber nicht an einen Gegenstand, den du vergessen könntest, sondern suche etwas, das du immer und überall durchführen kannst. Etwa das Verschränken der Finger oder einen motivierenden Spruch, den du dir vorsagst.
- Trinke einen 1/4 Liter Wasser. Auch das wirkt beruhigend und du kannst dich wieder besser konzentrieren.
Tipp
Befürchtung vs. Realität
Oft ist es so, dass man sich eine Situation viel schlimmer vorstellt, als sie dann tatsächlich ist. Manchmal kann es helfen, sich aufzuschreiben, wie man eine Prüfung erwartet hat und wie sie dann wirklich war, z. B. mit Hilfe einer Skala von 1-10; 1 ist sehr wenig und 10 ist sehr stark. Das kann dir für die nächste Prüfungssituation helfen, diese realistischer und gelassener einzuschätzen.
Zum Beispiel: Ich befürchte 8 nervös zu sein -> tatsächlich war ich 5 nervös; es werden mich alle anstarren -> tatsächlich haben ... und ... getratscht, 3 andere mit dem Handy gespielt, etc.
Kurz vor bzw. in der Prüfungssituation selbst
- Versuche dich in eine positive Grundstimmung zu versetzen. Das kann beispielsweise damit funktionieren, indem du dir so konkret wie möglich vorstellst, wie du die Prüfung meisterst und in der Prüfungssituation gut und frei antworten kannst.
- Atme tief durch - wenn man Angst hat, neigt man dazu zu "flach" zu atmen, was die Angst wiederum verstärken kann!
- Probiere auch, dir bereits gemeisterte Situationen vors innere Auge zu holen und dich so zu stärken.
- Wenn du panikmachende Glaubenssätze bemerkst, "denke sie um".
- Wenn du ein Ritual eingeübt hast, nütze es :).
- Link zur Homepage der Schulpsychologie
Auch SchulpsychologInnen unterstützen dich bei Prüfungsangst. Auf der Homepage der Schulpsychologie kannst du die Kontakte bzw. Standorte der Beratungsstellen für dein Bundesland heraussuchen.