Wien, am 25. April 2024. „Sextortion ist bei Kindern und Jugendlichen mittlerweile die Bedrohung Nummer eins, was den digitalen Raum betrifft“, sagt Birgit Satke, Leiterin der Notrufnummer 147 von Rat auf Draht. Sextortion (eine Wortkombination aus Sex und Extortion = Erpressung) bezeichnet die Erpressung mit Nacktfotos oder -videos, vornehmlich über Social Media Plattformen. Die Anzahl der jungen Menschen, die Opfer dieser Online-Sex-Falle werden, steigt rasant, wie die Beratungen von Rat auf Draht zeigen.
Anstieg um 30 Prozent
So stieg die Zahl der Gespräche zu diesem Thema 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 29,6 Prozent von 237 auf 308. Tendenz steigend: Allein im ersten Quartal 2024 gab es bereits 101 Anfragen zu Sextortion. Die „Masche“ der Erpresser:innen, in der Regel gut organisierte Betrüger:innenbanden, ist immer ähnlich: Sie geben sich als Mädchen oder junge Frau aus, die mit einer ahnungslosen Person Kontakt über Social Media aufnimmt und einen Chat beginnt. Schnell geht das Gespräch in die erotische Richtung und es wird vorgeschlagen, sich gegenseitig Nacktbilder zu schicken oder sich in einem Videochat gegenseitig nackt zu zeigen, was die vermeintlich junge Frau dann selbst auch tut. „Viele Jugendliche gehen darauf ein, weil es aufregend ist, sie sich sicher fühlen und sich ja beide Seiten intim zeigen“, so Satke. Schicken sie ihrerseits Nacktfotos von sich oder zeigen sich im Videochat nackt, wird das vom Gegenüber gespeichert, mitgefilmt oder es werden Screenshots davon gemacht.
„Der Erotik-Talk nimmt dann ein abruptes Ende und die Betroffenen erhalten eine Nachricht, in der sie aufgefordert werden, innerhalb eines kurzen Zeitraums Geld zu überweisen. Bei Nichtbefolgen drohen die Erpresser:innen, das Material zu veröffentlichen und an die Social Media Kontakte der Betroffenen weiterzuleiten“, erklärt Satke. Dabei gehen die Täter:innen immer dreister zu Werke: Wurde früher etwas zugewartet, so verleihen sie ihrer Drohung nun oft gleich zu Beginn Nachdruck und schicken die intimen Daten direkt nach Bekanntgabe der Erpressung an eine oder mehrere Personen aus dem Bekanntenkreis der Betroffenen. „Damit wollen sie zeigen, dass sie es ernst meinen“, sagt Satke.
Erpressung, was nun?
„Viele Betroffene sind im ersten Augenblick natürlich geschockt und verzweifelt, doch ganz wichtig ist - keinesfalls auf die Forderungen eingehen und nicht bezahlen“, sagt Satke. Denn die Erfahrung zeigt, dass das Bezahlen nicht vor der Veröffentlichung schützt. Ganz im Gegenteil, es folgen danach weitere Forderungen und die Erpressung endet nicht. Außerdem empfiehlt es sich, den Kontakt umgehend abzubrechen und Beweise zu sichern, etwa Screenshots vom Erpressungschat zu machen. Wurden bereits Bilder oder Videos veröffentlicht, sollte dies sofort bei der jeweiligen Plattform gemeldet werden. Onlineplattformen sind durch das KoPl-G (Kommunikationsplattformengesetz) mittlerweile verpflichtet, Inhalte, die in Österreich strafbar sind, innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Satke: „Eine Anzeige bei der Polizei ist ebenfalls anzuraten, da es sich hierbei um einen Straftatbestand handelt“.
Online-Tools schützen vor Upload
Abhilfe schaffen können auch zwei Online-Tools, die eine Veröffentlichung der Nacktbilder oder Videos auf bestimmen Plattformen verhindern können: „Take it down“, für Personen unter 18 Jahren gedacht, verhindert den Upload von intimen Bildern oder Videos auf Instagram, TikTok, Facebook, Onlyfans, Pornhub & Co. „Stop Non-Consensual Intimate Image Sharing (STOPNCII)", für Personen ab 18 Jahren, verfolgt den gleichen Zweck. Zur Nutzung dieser Tools müssen die Bilder und Videos aber noch auf einem Endgerät gespeichert sein. „Dann wird ein digitaler Fingerabdruck von dem Foto oder Video auf dem Gerät erstellt und an den Dienst übermittelt, der es den Onlineplattformen ermöglicht, intime Bilder oder Videos zu identifizieren und eine Veröffentlichung zu verhindern“, erklärt Satke. Die Bilder verbleiben auf dem Gerät des Users und werden nicht hochgeladen. Einen Schritt für Schritt-Anleitung findet sich hier.
Aufklärungsarbeit und Information
Neben den genannten Maßnahmen ist es vor allem Aufklärungsarbeit, die vor Sextortion und anderen Formen der sexualisierten Gewalt im Internet, wie Cyber Grooming, schützt. Daher arbeitet auch Rat auf Draht stark präventiv und versucht bei Kindern, Jugendlichen, Eltern und Bezugspersonen ein stärkeres Bewusstsein dafür zu schaffen. Medienerziehung, sprich der Umgang mit Medien bereits vom frühen Kindesalter an, kann ebenso sehr hilfreich sein wie Sexualerziehung ab dem Kleinkindalter. „Je mehr Kinder darüber wissen, umso besser können sie sich schützen und auch entsprechend reagieren. Etwa indem sie klar sagen, dass das, was das Gegenüber tut, nicht in Ordnung und strafbar ist. Für Täter:innen sind selbstbewusste Kinder, die sich zur Wehr setzten meist weniger reizvoll“, so Satke.
Was Eltern konkret tun können, wenn ihr Kind von Sextortion betroffen ist, haben die Expert:innen der Rat auf Draht Elternseite hier zusammengefasst.
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