Toxische Beziehungen
In Social Media und auch sonst ist immer wieder von toxischen Beziehungen die Rede. Doch was ist eine toxische Beziehung und was kann helfen, wenn man in einer solchen lebt? Infos dazu findest du in diesem Artikel.
Was macht eine toxische Beziehung aus?
Toxisch bedeutet giftig oder schädlich. Aber was ist denn nun giftig bzw. schädlich? Damit ist das gemeint, was uns nicht guttut. Also wenn die Beziehung z. B. einschränkend und belastend ist, Kraft kostet und schwächt, eigene Bedürfnisse keinen Raum haben, man kontrolliert wird etc. Es geht um grenzüberschreitendes, gewaltvolles Verhalten, in all seinen Formen, beispielsweise auf psychischer, auf physischer oder auch auf sexueller Ebene. Oft beginnt dieses gewaltvolle Verhalten subtil und schleicht sich dann immer mehr ein.
Das Wording toxische Beziehung verbindet man oft mit Partnerschaft. Doch es müssen nicht ausschließlich Liebesbeziehungen sein. Auch Freundschaften, Beziehungen zu Eltern(-teilen) oder andere Beziehungen können toxisch sein.
Wie erkenne ich eine toxische Beziehung?
Vielleicht fragst du dich jetzt, wie genau man denn eine toxische Beziehung erkennt oder was Warnzeichen sein können. Da sich eine toxische Beziehung auf vielen Ebenen zeigen kann, ist es zum Beantworten der Fragen hilfreich, in sich hineinzuspüren. Wie lässt mich die Beziehung fühlen, in der ich mich befinde? Werden meine Grenzen respektiert? Macht sie mich leicht und löst sie ein angenehmes Gefühl aus? Oder belastet und beschwert sie mich überwiegend und lässt sie mich klein fühlen und nicht auf einer Augenhöhe mit meinem oder meiner Partner:in? Habe ich vielleicht sogar Angst in der Beziehung? Werde ich durch den oder die Partner:in verletzt (körperlich und/oder psychisch)?
Vieles kann toxisch sein. Zum weiteren Einordnen haben wir auch ein paar Beispiele gesammelt, wie sich eine toxische Beziehung anfühlen kann bzw. was Anzeichen für eine toxische Beziehung sein können. Wenn du dich in den Beschreibungen wiederfindest und dich ähnlich fühlst, möchten wir dich ermutigen, dir Unterstützung zu holen, du musst da nicht allein durch.
Wie kann sich eine toxische Beziehung anfühlen?
Eine toxische Beziehung kann sich so anfühlen bzw. zeigen, dass …
… man von dem oder der Partner:in dauernd runtergemacht und kleingehalten wird
… die eigenen Gefühle und Wahrnehmung weggeredet werden und man sich selbst immer weniger vertraut und immer mehr hinterfragt
… man sich ohnmächtig und ausgeliefert fühlt
… man sich abhängig fühlt, z. B. in der eigenen Stimmungslage
… die Angst da ist, sich „falsch“ zu verhalten oder vor Konsequenzen, wenn man sich „falsch“ verhalten hat, z. B., dass die andere Person dann (emotional) stark auf Distanz geht
… man mit der Aufmerksamkeit sehr bei der anderen Person ist, um es ihr ja recht zu machen bzw. oft darüber nachdenkt, wie man es „richtig“ machen kann
… man durch die entstehende Dynamik dauerhaft angespannt ist, innerlich unter Stress und Druck steht bzw. Angst hat, quasi eine innere Alarmbereitschaft
… man sich wertlos fühlt
… der oder die Partner:in sehr kontrollierend ist
… die Stimmung des oder der Partner:in stark schwankt, er oder sie unberechenbar wirkt und man nie weiß, „woran man ist“
… man vom eigenen Umfeld immer weiter isoliert und abgetrennt wird
… der oder die Partner:in einem selbst die Schuld dafür gibt, dass er oder sie sich so grausam verhält
… man beschämt wird
… man sich nicht wie ein Team fühlt, sondern wie Gegner:innen
… eine Seite immer kritisiert und der anderen die ganze Schuld gibt
… man gefühlt nicht „gegen das, was die andere Person sagt, ankommt“
… man sich klein fühlt
… die eigenen Grenzen nicht respektiert werden
… die Beziehung kein leichtes, angenehmes Gefühl hinterlässt, sondern Anspannung, Belastung und Schwere überwiegen
… man vielleicht auch von außen rückgemeldet bekommt, dass nahestehende Menschen eine Veränderung wahrnehmen – man sich mehr abgeschottet, zurückgezogen ist, trauriger wirkt
Was ist Gaslighting?
Vielleicht hast du auch schon mal das Wort gaslighting gehört oder gelesen. Damit ist eine Art der psychischen Gewalt gemeint, in der die Realität und Wahrnehmung der betroffenen Person systematisch in Frage gestellt und abgesprochen wird. Beispiele dafür sind Sätze wie: „Das hab ich klarerweise nicht so gemeint“, „Das hast du wieder mal falsch verstanden“, „Das bildest du dir ein“, „Das war doch nur ein Scherz“, „Sei nicht so empfindlich“.
Diese wiederkehrende Manipulation löst große Verunsicherung aus, nach und nach stellt man die eigenen Empfindungen und die Realität immer mehr in Frage, bis hin zu einer totalen Orientierungslosigkeit.
Was ist keine toxische Beziehung?
Ein einmaliger Streit, mal das Gefühl zu haben, bei der anderen Person nicht anzukommen oder sich mal mit den eigenen Gefühlen nicht wahrgenommen zu fühlen von dem oder der Partner:in – all das kann auch echt unangenehm sein, bedeutet aber nicht, dass man eine toxische Beziehung lebt. Es geht bei einer toxischen Beziehung um die Regelmäßigkeit und das gezielte Vorgehen dahinter, dass eine Seite z. B. unterdrückt und runtergemacht wird, Gewalt erlebt, dass das Gefühl eines Ungleichgewichts entsteht, ein „Machtgefälle“ spürbar ist, eigene Bedürfnisse keinen Platz haben können. Dass dies immer wieder passiert, es nicht besprechbar und nachhaltig veränderbar ist, sondern immer wieder eine Dynamik entsteht, die schmerzhaft und belastend ist.
Was hilft bei einer toxischen Beziehung?
Hilfreich ist, nicht damit allein zu bleiben. In einer toxischen Beziehung zu leben, kann auslösen, dass man sich allein und klein fühlt. Vielleicht hat man sich auch durch die Beziehung isoliert. Oder Freund:innen und Familie sind klar gegen den oder die Partner:in, weshalb man immer weniger Kontakt zu ihnen hatte, um nicht immer diesem inneren Konflikt ausgesetzt zu sein. Was dann wiederum die Hemmschwelle erhöhen kann, sich in Belastungsmomenten an sie zu wenden. Das ist total verständlich und dennoch möchten wir euch ermutigen, nicht allein damit zu bleiben. In einer toxischen Beziehung zu sein kostet viel Kraft und ist belastend. Gerade dann ist es wichtig und hilfreich, Menschen um sich zu haben, die da sind, stärken, zuhören und unterstützen. Damit man Schritt für Schritt wieder zu sich finden kann und Raum für sich und die eigenen Bedürfnisse schaffen kann. Anzuerkennen, dass man in einer toxischen Beziehung lebt und auch das Lösen aus einer toxischen Beziehung ist oft schwer genug, da muss man nicht auch noch alleine durch. Spür in dich hinein, an welche Vertrauenspersonen du dich wenden magst. Auch wir sind in unseren Beratungsangeboten gern für dich da.
Wichtig und hilfreich ist auch, in sich hineinzuspüren und auf sich und sein Gefühl zu vertrauen. Das sagt sich jetzt sicher leichter, als es in der Situation dann ist. Denn toxische Beziehungen wirken sich oft so aus, dass man selbst an seiner Wahrnehmung zweifelt und seine Gefühle hinterfragt. Deswegen ist es wichtig, Stück für Stück wieder Vertrauen in sich, seine Wahrnehmung und seine Gefühle zu finden. Denn… DU spürst am aller allerbesten, was dir guttut und was nicht – ganz egal, was jemand anderer darüber behaupten mag.
Oft ist es so, dass sich eine toxische Beziehung auf das Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl auswirken kann. Man zweifelt vielleicht an sich, an der eigenen Wahrnehmung, vernachlässigt sich und die eigenen Bedürfnisse. Geht Hobbys nicht mehr nach, zieht sich von anderen Bezugspersonen zurück. Wenn du solche Tendenzen bei dir bemerkst, ist schon ein erster wichtiger Schritt, dass dir das aufgefallen ist – dann kannst du auch etwas verändern und Stück für Stück wieder mehr Raum für dich schaffen und schauen was dir guttut, wie du Kraft tankst, was dich aufbaut und stärkt.
Auch professionelle Unterstützung im Sinne von z. B. Psychotherapie oder psychologischer Beratung bzw. Behandlung ist eine wichtige Unterstützungsmöglichkeit. Auch Mädchen- und Frauenberatungsstellen, Männerberatungsstellen oder Familien- und Paarberatungsstellen sind geeignete Stellen, an die du dich wenden kannst. Dort einen Gesprächsraum ganz für sich zu haben mit einer neutralen, außenstehenden und ausgebildeten Person kann sehr hilfreich sein. Du kannst dich auch gern bei uns in den Beratungsangeboten melden, um dich in einem ersten Schritt zu entlasten. Gemeinsam können wir überlegen, was für dich hilfreich sein kann und wir können dich auch über Beratungsstellen und Angebote bei dir vor Ort informieren. In unserem Artikel Hilfe bei Gewalt in Beziehungen haben wir auch Stellen vor Ort verlinkt, wenn du direkt mal nachlesen magst.
Vielleicht möchtest du dich auch mit anderen Menschen in einer ähnlichen Lebenslage austauschen - dann könnten Selbsthilfegruppen passend sein für dich.
Wir bieten auch eine Konferenzschaltung zu Beratungsstellen an, wenn du das möchtest. Mit dieser können wir gemeinsam mit dir bei einer Stelle vor Ort anrufen und dann sind wir zu dritt in der Leitung - du, ein:e Berater:in von Rat auf Draht und ein:e Mitarbeiter:in der Stelle, zu der du die Konferenzschaltung möchtest. So bist du bei diesem ersten Kontaktanbahnen mit der Stelle nicht allein, was es leichter machen kann.
Trennung, ja oder nein?
Ob oder wann du dich trennen magst, ist eine Entscheidung, die keine andere Person für dich treffen kann. Du bestimmst dein Tempo für eine Entscheidung und den Zeitpunkt einer etwaigen Trennung. Manchmal wird von Personen im Umfeld vielleicht Druck gemacht, dass man sich trennen soll. Oder der oder die Partner:in macht Druck, in der Beziehung zu bleiben.
Wenn jemand versucht, dich auf „eine Entscheidungsseite“ zu ziehen, ist das nicht hilfreich, und macht eine eh schon komplexe und belastende Situation nochmal schwieriger. Der Druck entsteht vermutlich aus unterschiedlichen Motivationen heraus: Nahestehende wollen dich vielleicht schützen, dein:e Partner:in will dich vielleicht „halten“. Aber ganz unabhängig davon was dahintersteht, hast du ein Recht auf deine eigene Entscheidung und dein eigenes Tempo.
Spür in dich hinein, bei welchen Vertrauenspersonen du nicht das Gefühl hast, dass sie Druck machen. Wenn dir wichtige Personen Druck machen, könntest du ihnen sagen, dass der Druck nicht hilft, sondern vielleicht sogar noch mehr stresst. Du kannst ihnen auch sagen, was du dir von ihnen wünschen würdest, z. B., dass sie dir zuhören, da sind, dich in den Arm nehmen etc. Auch wenn du merkst, dass dein:e Partner:in Druck macht, kann mit jemandem darüber sprechen Distanz zu der eigentlichen Drucksituation schaffen. Bildlich kann sich das anspüren, als würde der oder die Partner:in immer näher rücken und durch vermehrten Druck den inneren eigenen Raum kleiner machen und z. B. mit Vertrauenspersonen genau darüber zu reden, dass der Druck gerade so hoch ist, kann wieder mehr eigenen Raum schaffen.
Wenn du dich für eine Trennung entschieden hast, kann hilfreich sein, vorab zu wissen, dass der oder die Partner:in vielleicht versuchen wird, dich umzustimmen, Druck auszuüben, Versprechungen zu machen, Veränderung und mehr Zugewandtheit zu zeigen, um dich weiterhin in einer Beziehung zu halten. Sich aus einer toxischen Beziehung zu lösen ist oft durchaus herausfordernd und braucht Zeit. Im Zuge des Trennungsprozesses können auch Momente aufkommen, wo du nicht sicher bist, ob du die Trennung wirklich durchziehen magst und du dich ambivalent fühlst, das kann ganz unterschiedliche Ursachen haben. Die Manipulation, die passiert ist und das Kleinhalten können echt tiefgreifend und sehr verunsichernd sein, sodass es eine Zeit braucht, sich auch für sich selbst innerlich da hinauszulösen und Stück für Stück wieder mehr Sicherheit zu empfinden. Es kann auch das Gefühl von Abhängigkeit mit hineinspielen, das bewusst innerhalb der Beziehung gefördert wurde, und das erst Schritt für Schritt wieder abgelegt wird und es wird vermutlich auch schöne Seiten in der Beziehung gegeben haben.
Wenn du noch mehr nachlesen möchtest – wir haben auch einen Artikel zu Gewalt in Beziehungen generell.
Freund:in in einer toxischen Beziehung – wie kann ich helfen?
Das Wichtigste erstmal vorweg, du kannst deinem oder deiner Freund:in nicht abnehmen, sich aus einer toxischen Beziehung zu lösen. Dazu braucht es sie oder ihn selbst. Das, was du jedoch tun kannst - und das ist sehr viel -, ist für ihn oder sie da zu sein.
Auch wichtig ist, auf eigene Grenzen zu achten. Oftmals ist es ein längerer Prozess, bis sich jemand aus der toxischen Beziehung löst. Jeder Mensch hat sein eigenes Tempo für bestimmte Dinge, so ist es auch hier. Es kann als Freund:in durchaus herausfordernd sein, mitzubekommen wie die Person, die einem wichtig ist, belastet ist und vielleicht noch nicht an dem Punkt ist, wo er oder sie bereit ist das auch selbst zu sehen oder zu ändern. Wenn man bemerkt, dass es herausfordernd ist, die andere Person in ihrem Tempo machen zu lassen, ist es wichtig gut auf sich und die eigenen Grenzen zu achten, zu schauen, was einem selbst gerade mit dieser eigenen Belastung guttut und stärkt, z. B. mit anderen Vertrauenspersonen darüber zu sprechen und sich erleichtern etc.
Genauso ist es auch wichtig, zu schauen, wie man sich abgrenzen und nur so viel Unterstützung anbieten kann, wie man auch gut geben kann und möchte. Es ist total menschlich, wenn es dir auch mal zu viel wird und du dann gerade keine Kraft hast, für die andere Person da zu sein. Es ist wichtig, zu sagen, wenn es dir zu viel ist, du dir einfach mal Freund:innen-Zeit ohne Gespräche über die Beziehung wünscht oder einfach eine Auszeit für dich. Vielleicht gibt es dafür eine innere Hemmschwelle und es tauchen Schuldgefühle auf oder die Frage „Kann ich das wirklich sagen, der anderen Person geht es ja schlecht?“. Hier wollen wir dich ganz klar ermutigen, dass du auf dich schauen darfst. Vielleicht hilft auch der Gedanke, dass du dann gut für jemanden da sein kannst, wenn es dir selbst gut geht. Du könntest z. B. sagen, dass du merkst, dass die Person gerade Hilfe braucht, aber du gerade nicht so hilfreich sein kannst. Du kannst dann auch anbieten, dass sich die Person z. B. bei uns melden kann. So hat der oder die Freund:in unmittelbar ein weiteres Angebot und das kann es vielleicht auch für dich leichter machen, dich dann in so einer Situation abzugrenzen und auf dich zu achten.
Sich aus einer toxischen Beziehung zu lösen kann sehr herausfordernd sein, weil die Beziehungsdynamik tiefe Spuren hinterlassen kann (z. B. das Selbstbewusstsein stark schwächen, Gefühle der Wertlosigkeit und Abhängigkeit auslösen, …). Eine professionelle Unterstützung kann dann hilfreich und wichtig sein. Du könntest dem oder der Freund:in in so einer Situation z. B. sagen, dass du gern für ihn oder sie da bist und er oder sie dir wichtig ist, du aber das Gefühl hast, dass es zusätzlich zur freundschaftlichen Unterstützung auch noch eine professionelle Unterstützung brauchen würde. Wenn es für dich passt, kannst du auch anbieten, dass du den oder die Freund:in zu einem Angebot vor Ort begleitest, vielleicht fällt es ihr oder ihm dann leichter. Ihr könnt euch auch gemeinsam bei uns melden und wir informieren über Angebote vor Ort.