Immer mehr junge Menschen Opfer von Gewalt

Immer mehr Kinder und Jugendliche sind von Gewalt betroffen, schlägt der psychosoziale Beratungsdienst Rat auf Draht Alarm.

Wien, am 30. November 2023. Gewalt hat viele Gesichter. Sie kann körperlich oder seelisch erfolgen, im digitalen Raum, in der Familie, in der Partnerschaft oder in der Schule stattfinden, sich gegen eine bestimme Bevölkerungsgruppe richten oder einen sexualisierten Hintergrund haben. Besonders Kinder und Jugendliche sind immer stärker davon betroffen, wie die Zahlen von Rat auf Draht, Österreichs einziger Notrufnummer für Kinder und Jugendliche, zeigen. So haben die Beratungsgespräche zum Thema Gewalt im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 16,42 Prozent auf 2.935 zugenommen. In den ersten drei Quartalen 2023 waren es 2.176 Gespräche, was auch für das Gesamtjahr heuer ein ähnlich hohes Niveau erahnen lässt.

Täglich acht Gespräche über Gewalt

Anders gesagt: Im Schnitt melden sich mittlerweile täglich acht Anrufer:innen zum Thema Gewalt „Am häufigsten geht es dabei um Mobbing und psychische Gewalt in der Schule, gefolgt von psychischer und physischer Gewalt in der Familie“, erklärt Birgit Satke, Leiterin der Notrufnummer 147 von Rat auf Draht. Besonders betroffen sind 11-14jährige, gefolgt von 15- bis 18jährigen Jugendlichen.

Vor allem Mobbing hat nach den Lockdowns und der Öffnung der Schulen deutlich zugenommen, im Vergleich zum Vorpandemie-Niveau 2019 gar um fünf Prozent (Stand 2022). „Das liegt daran, dass sich die Jugendlichen wieder mehr sehen und das Konfliktpotential dadurch größer ist. Neu ist, dass Mobbing häufig nicht „nur“ offline stattfindet, sondern über digitale Medien weitergeführt wird“, sagt Satke. Mit nur einem einzigen Klick können so peinliche Fotos oder feindselige, aggressive Botschaften an eine große Anzahl von Empfängern geschickt oder öffent­lich geteilt werden. Satke: „Die Hemmschwelle für Mobbing über digitale Medien ist oftmals herabgesetzt, da man die Reaktion der Betroffenen nicht sehen kann und sich somit nicht damit auseinandersetzen muss“. Auch die sexualisierte Gewalt (Cyber Grooming, Sextortion, sexuelle Belästigung online) nimmt zu. So stiegen etwa die Anfragen zu Sextortion (Erpressung mit Nacktfotos oder -videos im Internet) auf der Notrufnummer 147 im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2022 um 39,05 Prozent von 105 auf 146 Beratungen.

Prävention so früh wie möglich

Egal, um welche Form von Gewalt es sich handeln mag - Prävention ist besonders wichtig und trägt dazu bei, dass die eine oder andere Gewalttat verhindert werden kann. „Es sollte so früh wie möglich damit begonnen werden. Es ist wichtig, Kinder zu selbstbewussten und selbstständigen Persönlichkeiten zu erziehen und sie über ihre Rechte aufzuklären“, sagt Satke. Im Hinblick auf sexualisierte Gewalt ist eine umfassende und altersadäquate Sexualerziehung essenziell. Kinder sollten darüber Bescheid wissen, dass sie selbst über ihren Körper bestimmen können, dass sie ihren Gefühlen vertrauen können und sie das Recht haben „nein“ zu sagen. „Außerdem sollte ihnen vermittelt werden, dass sie niemals schuld daran sind, wenn ihnen Gewalt angetan wird“, so Satke.

Nicht nur das Elternhaus ist gefordert: Für Schulen gibt es viele Workshop- und Schulungsangebote, bei denen in altersadäquater Form über das Thema Gewalt informiert wird und wo Kinder erfahren, wie sie ihre emotionalen und körperlichen Grenzen beachten und verteidigen können. Sie lernen aber auch, die Grenzen anderer zu akzeptieren und es werden Verhaltensstrategien im Falle einer Gefährdung geübt. „Auch Pädagog:innen sollen mit Präventionsangeboten unterstützt werden, Gewalt und Missbrauch zu erkennen und richtig darauf zu reagieren. Denn nur gemeinsam kann man verhindern, dass Kinder Gewalt erleben müssen und sie dabei unterstützen, wenn es doch passiert ist“, so Satke.

Unterstützen Sie unsere Arbeit! Entweder online oder über unser Spendenkonto:
IBAN: AT10 2011 1827 1734 4400